Im Fokus des "Lichtbildners".
Erich Angenendt und der Wiederaufbau der Dortmunder Brauwirtschaft in den 1950er Jahren
Von Karl-Peter Ellerbrock
Erich Angenendt (1894-1962) wurde als Sohn einer Lithographen- und Fotografenfamilie geboren, deren Tradition in die 1840er Jahre zurückreicht. ("Atelier für Bildnisphotographie", 1845 in Hamm gegr.) Sein Enkel Christian beschrieb ihn 1996 rückblickend als "besessenen Fotografen, der sein Leben und Denken ganz auf die Fotografie ausrichtete. Er verbrachte jedes Wochenende auf fotografischen Exkursionen und verschickte ständig Bilder für Wettbewerbe, Veröffentlichungen und Ausstellungsbeteiligungen."
1920 kam er nach Dortmund und gründete zusammen mit Günther Othmer die auch wirtschaftlich überaus erfolgreichen "Lichtbildwerkstätten Othmer, Angenendt & Co". Eine ungewöhnliche Fotografenkarriere begann. Erich Angenendt zeigte seine Arbeiten in Ausstellungen auf der ganzen Welt und gewann in den 1920er und 1930er Jahren internationale Wettbewerbe und Staatspreise.
Betrachtet man die in Festschriften verschiedener Dortmunder Brauereien abgebildeten Fotografien von Erich Angenendt, so erstaunt angesichts des zur Verfügung stehenden Materials die Auswahl. Oder auch nicht, legt doch der kritische Betrachter von heute andere Maßstäbe an als die verantwortlichen Repräsentanten der Dortmunder Brauwirtschaft, die einfach nur stolz auf ihre Wiederaufbauleistung waren und den technischen und wirtschaftlichen Aufschwung und Fortschritt auch im Bild dokumentiert sehen wollten. So gab zum Beispiel die Dortmunder Union-Brauerei AG 1959 unter dem Titel "Die Dortmunder Union-Brauerei im Wiederaufbau 1945-1959" eine Sammlung der auf den Hauptversammlungen gehaltenen Reden heraus, die mit Fotos von Erich Angenendt und mit Aquarellen von Franz Gerwin illustriert waren.
Doch wenden wir uns den in den zeitgenössischen Firmenschriften nicht abgebildeten Aufnahmen zu. Da sind zunächst die Kriegsschäden, die im wiedergewonnenen Gefühl der wirtschaftlichen Stärke im Wiederaufbau aus dem (Selbst)bild traten. Angenendt porträtierte Ende der 1940er Jahre das mittlerweile ausgediente Ochsengespann vor dem notdürftig wieder hergerichteten Fabrikgebäude ebenso wie die alte, kriegszerstörte Industriellenvilla der Wenkers.
Wie aber bewältigte Erich Angenendt jenseits der von den Brauereien gewünschten Aufnahmen die Wiederaufbauleistung ästhetisch? Angenendt wurde bereits 1925 zum Mitglied der renommierten "Gesellschaft Deutscher Lichtbildner" (GDL) berufen, die trotz des Vorwurfs der "entarteten Kunst" noch 1935 in einer Dortmunder Ausstellung ihre künstlerische Identität bewahren konnte. Er war schon früh "am Puls der Zeit", was die "fortschrittliche" Fotografie betraf. So auch Ende der 1940er Jahre, als Otto Steinert die Gruppe "fotoform" gründete und die Stilbezeichnung "subjektive fotografie" kreierte.
Obwohl Angenendt der Gruppe um Otto Steinert nicht angehörte - er verstand sich immer auch als "Handwerker", was dem GDL und seinen Mitgliedern von der "wilden" intellektuellen "Steinert-Gruppe" den Vorwurf der "Plüschzimmerfotografie" einbrachte - hat dieses künstlerische Konzept deutliche Spuren in seinem Werk hinterlassen. Angenendt selbst hatte schon 1948 als erster die Montage in die Industriefotografie eingeführt.